Vortrag Wolfgang Starke

Vortrag von Wolfgang Starke zu den Stolpersteinen der Familie Adler, 1. Juli 2015

 

Nachdem uns Wilfried Bartels an die Familie Paul Adler erinnert hat, möchte ich als einer der drei Enkel des Klempnermeisters Albert Bode einige Worte an Sie richten, auch im Namen meiner beiden Geschwister Sigrid Speckmann und Heinz Starke.

Albert Bode wurde 1891 in Obernkirchen geboren, war also fast genauso alt wie das Haus,  vor dem wir hier stehen. Dieses Haus musste Paul Adler als Folge der Hetze gegen die jüdische Bevölkerung und der Boykottaufrufe gegen jüdische Geschäfte durch das Naziregime im Jahr 1939 in die Zwangsversteigerung geben. Als Bieter wurde nur die Sparkasse Obernkirchen zugelassen, die das Haus dann auch weit unter Wert erstanden hat. Unser Großvater erwarb es später von der Sparkasse.

Albert Bode wohnte in diesem Haus und eröffnete hier sein Klempner- und Installationsgeschäft. Er überließ das Gebäude später seinem Schwiegersohn Walter Starke und dessen Frau Wilma geb. Bode, die hier bis 1976 Bäckerei, Konditorei und früher auch ein Café betrieben haben. Heute befindet sich das Haus, dessen Fassade unter Denkmalschutz steht, im Besitz unserer Schwester.

Unser Großvater, ein angesehener alter Obernkirchener Handwerker, den wir als Kinder sehr geliebt haben, war also ein Nutznießer der nationalsozialistischen Arisierungspolitik. Er gehörte damit zu den Millionen von Profiteuren des NS-Unrechtsregimes, das sich durch Raubzüge nach innen – vor allem von jüdischem Besitz – und nach außen – insbesondere durch Ausbeutung der im 2. Weltkrieg überfallenen Staaten – die Gefolgschaft der „Volksgenossen“ erkaufen wollte.

Wir wussten von unseren Eltern und Großeltern, dass dieses Haus einst der Familie Adler gehörte und dass diese die Vertreibung aus Obernkirchen und Deutschland überlebt hat. Es hieß, unser Großvater habe das Haus „gekauft“ und es habe nach dem Krieg Entschädigungsprozesse zugunsten der Familie Adler gegeben.

Nicht ausgesprochen wurde, dass das wirtschaftliche Auskommen unserer Familie, das bürgerliche Leben und eine glückliche Kindheit im Obernkirchen der Nachkriegszeit zu einem Teil eben auch auf Entrechtung und Ausgrenzung, auf Verfolgung und Vernichtung der jüdischen Bürger Obernkirchens während der Nazidiktatur aufbaute.

Wir hoffen, dass auch die drei Stolpersteine für die Familie Paul Adler dazu beitragen, diesen Teil unserer Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

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